Wie wir bei dreipol Games entwickeln

Vor Kurzem habe ich einen Vortrag an der Zürich Game Show gehalten und erzählt, wie wir bei dreipol Spiele entwickeln. Es kamen interessante Informationen zusammen, die ich auch hier wiedergeben möchte.

Nija Nikolic
dreipol

--

Wir von dreipol sind eine Agentur, deren Kernkompetenz die Entwicklung von Webseiten und Apps ist. Unser 30-köpfiges Team besteht überwiegend aus Spezialist:innen in Design, Projektleitung, Web- und App-Entwicklung. Ergänzt werden diese durch eine Auszubildende in Interactive Media Design, einen Juristen, eine Kommunikationsverantwortliche und einen Unity Developer (meine Wenigkeit 😊).

Das sind für die Game-Entwicklung weniger Ressourcen, als sie den spezialisierten Game Studios am Markt zur Verfügung stehen. Für uns als Agentur heisst das, dass unsere Projekte und Arbeiten sehr zielgerichtet sein müssen. Dafür bedarf es einer soliden Strategie für die Game-Entwicklung.

Strategie

In der Vergangenheit haben wir erfolgreiche Kundenprojekte wie EcoDriver (iOS, Android) und ein eigenes Spiel namens Shoggoth Rising (iOS, Android) realisiert. Im internationalen übersättigten Spielemarkt ist es jedoch schwierig, überhaupt wahrgenommen zu werden. Ein klarer Fokus und Kreativität sind gefragt. Daher überarbeiteten wir im Oktober 2018 unsere Strategie. Folgendes kam dabei heraus:

  • Wir entwickeln Games für Kunden.
    Das sehr hohe Risiko einer eigenen Produktion gehen wir nicht mehr ein. Eine Zusammenfassung der Schweizer Spieleentwickler:innen und die Schwerpunkte ihrer Games zeigt auf, welche Bereiche bereits gesättigt sind und wo es noch Spielraum gibt.
  • Wir orientieren uns an klassischen Spielmechaniken und setzen im Bereich «Schweizer Kinderspiele» neue Standards.
    Damit stehen wir im Gegensatz zu den technologischen Trends wie Augmented Reality und Serious Games.

Auftragssuche

«Toddo Land» – dreipols erstes Spiel für Kleinkinder.
«Toddo Land» – dreipols erstes Spiel für Kleinkinder

Nach der Festlegung der Strategie ging es für uns an die Auftragssuche. Parallel dazu begannen wir, ein Kinderspiel zu entwickeln, um Erfahrungen in diesem Genre zu sammeln und eine aussagekräftige Referenz zu haben. Entstanden ist «Toddo Land» (iOS, Android) — eine Minispielsammlung für Drei- bis Fünfjährige.

Mit Werbung für das fertige Spiel in Form von Social Media Posts und einer Einreichung am Best of Swiss Apps Award (wir gewannen Bronze in der Kategorie «Games») versuchten wir anschliessend, das Bewusstsein für dreipol als spezialisierte Agentur für Kinder-Games zu fördern. Und: Es hat geklappt! Die Strategie ist aufgegangen. Wir wurden von Hinderling Volkart angefragt, gemeinsam ein Lernspiel zu entwickeln, das Schulkindern die Strassenregeln näherbringt: Die «Max der Dachs» Lern-App.

Game-Development-Prozess

Der Entwicklungsprozess

dreipol ist nach ISO 9001:2015 zertifiziert, was bedeutet, dass alle unsere Abläufe im Arbeitsalltag klar geregelt und in einem Dokument festgehalten sind. Was im ersten Moment wie eine kreative Einschränkung scheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick als grosse Hilfestellung. Denn diese Struktur erlaubt bereichsübergreifend den schnellen Zugriff auf Wissen.

Im Folgenden schildere ich euch die einzelnen Projektphasen in unserer Game-Entwicklung, von der Recherchephase bis zur Wartung. Dies am Beispiel von «Max der Dachs», dem Lernspiel, das wir in Zusammenarbeit mit Hinderling Volkart entwickelt haben.

Discover

Als Erstes stellen wir jeweils Nachforschungen an. Das Kundenbedürfnis wird analysiert, die Zielgruppe untersucht und ein Konzept verfasst. Hier gilt es, die richtigen Fragen zu stellen und die Antworten zu erarbeiten.

Für «Max der Dachs» hat Hinderling Volkart die Discover-Phase übernommen und Fragen gestellt, wie ,Was mögen Kinder?’, ‘Wie weit sind sie kognitiv entwickelt?’ oder ‘Was spricht Eltern an?‘. Sie befragten Expert:innen aus verschiedenen Bereichen, darunter einen Polizisten für die Verkehrssicherheit und eine Pädagogin für das Lernverhalten von Kindern.

Define

Verschiedene Varianten von Schulwegen werden durchgespielt

In der Define-Phase werden die ersten gewonnenen Erkenntnisse zu einem Konzept formuliert, der Umfang des Spiels wird definiert und Schwierigkeiten bei der Umsetzung werden abgeschätzt oder nach anderen Lösungsmöglichkeiten gesucht.

«Max der Dachs» ist auf Kinder im Alter von fünf Jahren zugeschnitten. In diesem Alter können sie nicht lesen, ihre Aufmerksamkeitsspanne ist kurz und sie haben teilweise noch nie ein Tablet oder Smartphone in der Hand gehalten. Aus einer früheren Elternbefragung wussten wir ausserdem, dass über die Hälfte der interviewten Personen ihr Kind nicht zu früh mit digitalen Geräten in Kontakt bringen will.

Das ursprüngliche Konzept umfasste ein interaktives Video. Da aber Kinder in diesem Alter weder zwischen Fakten und Fiktion noch zwischen real und digital unterscheiden können, fiel der Entscheid auf ein Spiel mit Low-Poly-3D-Grafik.

Prototype

Erste Verkehrssituationen werden prototypisch erstellt, um die Resonanz schnell mit der Zielgruppe testen zu können

Auf die Define-Phase folgt die Erstellung eines Prototypen. Das Ziel davon ist es, schnellstmöglich eine erste Version des Spiels zu haben, um es direkt mit der Zielgruppe testen zu können.

Die Entwicklung des Prototypen dauerte im Falle von «Max der Dachs» ungefähr einen Monat und beinhaltete verschiedene Steuerungen, um zu sehen, wie die Kinder die Eingaben tätigen. Die Idee war, den Gyro-Sensor der Geräte zu nutzen. Dadurch sollte die Blickrichtung nach links und rechts bei einer Strassenüberquerung simuliert werden. Mit Einsatz des Gyro-Sensor müssen Kinder den ganzen Oberkörper benutzen und können somit realitätsnaher üben.

Develop

Inhalte, Menüführung und die Logik von Elementen werden programmiert

Wenn der Prototyp aufzeigt, dass das definierte Konzept funktioniert, geht es in die eigentliche Produktion. Weitere Inhalte wie Rätsel oder Hindernisse werden erstellt und die Menüführung wird gemäss Designvorgabe umgesetzt.

Für «Max der Dachs» wurde die Logik von Strassenregeln mit Elementen wie Bürgersteig, Verkehrsfluss, Ampel, Zebrastreifen, etc. erstellt und auf 20 Levels verteilt. Konzeptionell sollten Informationen zum Verhalten in bestimmten Verkehrssituationen ursprünglich zu Beginn eines Levels angezeigt werden. Tests des Prototypen hatten jedoch ergeben, dass die Aufmerksamkeit der Kinder nicht so lange anhielt. Deshalb entschieden wir uns, die Informationen während der Übungen in kurzen Zwischensequenzen (Cutscenes) zu präsentieren.

Design

Luca und Laura sind die Hauptcharaktere des Spiels

In der Design-Phase wird der Stil des Spiels festgelegt und es wird ein Styleguide erstellt. Visuelle und audiovisuelle Komponenten wie 3D-Modelle, Sprites, Partikeleffekte, Animationen und Musik werden erarbeitet.

Das Design Team von Hinderling Volkart hatte während der Produktionsphase von «Max der Dachs» überwiegend mit der Umsetzung des Charakters zu kämpfen. War es zunächst eine geschlechts- und nationalitätsneutrale Vogelfigur, wurde diese Figur auf Kundenwunsch danach durch die die Kinder Luca und Laura ersetzt. Diese waren bereits bekannte Gesichter der «Max Der Dachs»-Marke, mussten aber, damit sie in die Spielwelt passten, visuell reduziert werden.

Optimize

Testen, testen, testen und optimieren

Gegen Ende des Projekts werden vermehrt Tests durchgeführt und das Spiel stetig optimiert. Der Code wird bereinigt und visuelles Feedback durch Animationen und Effekte verbessert.

Spielmechanisch hatte sich beim Testen von «Max der Dachs» gezeigt, dass die Kinder das Ziel öfters aus den Augen verloren, wenn sie sich in einer frei begehbaren Welt bewegten. Um dem entgegenzuwirken, wurde kurz vor Entwicklungsende ein geführter Modus eingebaut, welcher die Hauptfigur auf einem festgelegten Pfad gehen lässt.

Nach der erfolgreichen Entwicklung folgt der grosse Moment: Der Release. Bei Games beinhaltet dieser zumeist den Upload in die gängigen App Stores. So auch im Falle von«Max der Dachs».

Und dann heisst es erst einmal Warten. Warten auf die Resonanz, eingehendes Feedback und allfällige Performance-Probleme. Die traten dann auch tatsächlich auf.

Care

In der ersten Version von «Max der Dachs» kämpften wir mit Performance-Problemen auf einem Grossteil der mobilen Geräte. Hauptursache waren Post-Process-Effekte wie Motion Blur oder Depth of Field und Plugins wie das Regenpartikelsystem oder UI Blur.

Nach dem Projektabschluss wurde ein Supportvertrag aufgesetzt, welcher OS Updates und gerätespezifische Probleme abdeckt.

Abschliessende Worte

Mit «Max der Dachs» haben wir erreicht, was wir konzeptionell geplant hatten. Wir mussten jedoch auch auf Features verzichten, da wir über andere Baustellen mehrere Male iterieren mussten (zwei Charaktere statt einem, eine innovativere Level-Auswahl, ein in kurze Stücke gegliedertes Tutorial, etc.).

Abschliessend bleibt zu sagen, dass natürlich auch in der Game-Entwicklung der Entwicklungsprozess nicht immer ganz nach Drehbuch verlaufen kann.

Eine agile Arbeitsweise in der Spieleentwicklung ist aus meiner Sicht am erfolgversprechendsten. Trotz Agilität ist eine Definition des Prozesses aber hilfreich und die Annäherung der theoretischen und praktischen Umsetzung positiv für den Projektverlauf.

. . .

Gerne darfst du diesen Post liken, teilen und mir oder dreipol auf Social Media folgen:

twitter.com/nijanikolic
medium.com/@nija.nikolic
twitter.com/dreipol
www.dreipol.ch

--

--