Wenn der Lohn zur Nebensache wird

Lohn soll bei dreipol Neben- statt Verhandlungssache sein. Mit dieser Vision vor Augen entwickeln wir unser Lohnsystem stetig weiter. Wie wir bisher vorgegangen sind und ob wir reüssiert haben, erzähle ich in diesem Blog-Beitrag.

Nino Cometti
dreipol

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Das dreipol Lohnsystem ist «hausgemacht». Wir haben unser Lohnsystem von Grund auf und in mehreren Schritten entwickelt. Das Ziel: Die Löhne für alle unsere Mitarbeiter:innen nachvollziehbar gestalten. So sehr wir diesen Anspruch schon immer hatten, so herausfordernd war (und ist) der Weg zur tatsächlichen Umsetzung.

Die Löhne bei dreipol berechnen sich zum einen automatisch und zum anderen durch die Selbst- und Fremdeinstufung der Mitarbeiter:innen.

Folgende Grundsätze prägen das dreipol Lohnsystem:

  • Löhne sind keine Verhandlungssache.
    Der Lohn berechnet sich aus fünf Kriterien (Senioritätsstufe, Ausbildung, Weiterbildung, Treue, Verantwortung). Die Details zur Einstufung und dem dahinterliegenden Gehalt sind allen Mitarbeiter:innen bekannt. Lohnerhöhungen erfolgen automatisch und müssen nicht eingefordert werden.
  • Fachgebiete spielen keine Rolle.
    Es spielt keine Rolle, ob jemand Entwickler:in, Projektleiter:in, HR-Mitarbeiter:in oder Designer:in ist. Wir sind ein Team und jede:r ist, unabhängig des eigenen Fachgebiets, wertvoll für dreipols Erfolg.
  • Zusatzrollen haben dann einen Einfluss, wenn sie mit Verantwortung einhergehen.
    Als Beispiel: Fachlead Mobile ist eine Zusatzrolle mit Fachverantwortung, Vorgesetzte mit Personalverantwortung fallen in dieselbe Kategorie.
  • Aus- und Weiterbildung sind wichtig.
    Wir sind überzeugt, dass individuelle Aus- und Weiterbildungen dreipol weiterbringen. Deshalb fördern und honorieren wir sie.

Im Folgenden möchte ich die einzelnen Etappen auf dem Weg zum aktuellen dreipol Lohnsystem genauer beleuchten.

Etappe 1: Der Seitenwechsel

dreipol gibt es seit 2010. Seit unserer Gründung können wir auf ein jährliches personelles Wachstum von über 20% blicken. Mit aktuell 40 Mitarbeiter:innen (Stand September 2023) gehen wir als Kleinunternehmen durch.

Als Tobias Koller, Philipp Läubli, Dondup Shelkar und ich dreipol nach unserem Studienabschluss an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ins Leben riefen, stellten wir zunächst Freund:innen und Bekannte ein. Wir alle arbeiteten für denselben Lohn. Eine Praxis, die wir im Laufe der Zeit nicht mehr aufrechterhalten konnten. Das Thema Lohn wurde dringlicher und wir machten erste Erfahrungen damit, wie es ist, wenn aus Kolleg:innen Mitarbeiter:innen werden, die (verständlicherweise) um ihren Lohn verhandeln.

Vor und während meines Studiums war auch ich es mir als Arbeitnehmer gewohnt, Lohnverhandlungen mit Erfolg zu führen. Als CEO & Partner von dreipol war ich nun aber plötzlich jener, der sich mit Lohnforderungen auseinandersetzen und Entscheidungen fällen musste.

Mich bringt selten etwas um den Schlaf. Lohngespräche gehörten in den Anfängen dazu.

Etappe 2: Verhandeln als die Ursache allen Übels

Ein Merkmal von Lohn ist, dass jede:r darüber verhandelt. Genau darin sehe ich das Problem. Es ist ein kaputtes System und ich möchte dies anhand eines Beispiels genauer erläutern. Nehmen wir drei Personen, die bislang denselben Lohn verdient haben und für welche eine identische Lohnerhöhung ansteht:

  • Person 1 will viel mehr und fordert dies lautstark ein.
  • Person 2 ist zufrieden mit dem aktuellen Gehalt und geht wenig offensiv in die Verhandlung.
  • Person 3 hält sich zurück und fordert nichts.

Die Lohnverhandlungen – die weiterhin Lohngleichheit anstreben – werden bei allen drei Personen ein Verlustgefühl bewirken:

  • Person 1 ist frustriert, dass die eigenen Forderungen nicht zu 100% gefruchtet haben.
  • Person 2 ist erstaunt, dass der eigenen Forderung so schnell nachgegeben wurde und fragt sich, ob vielleicht mehr drin gelegen wäre.
  • Person 3 fühlt sich trotz überraschend mehr Lohn hintergangen, denn sie fragt sich, ob sie nicht von Anfang an auf höherem Niveau hätte eingestuft werden müssen.

Der positive Effekt, mehr zu verdienen, fällt weg. Alle sind frustriert. Alle verlieren ein wenig Vertrauen in das Unternehmen.

Der erste Grundsatz für unser dreipol Lohnsystem war für mich deshalb klar: Es soll keinen Verhandlungsspielraum geben. Der Lohn muss sich aus vordefinierten, allen Mitarbeiter:innen bekannten Kriterien objektiv und nachvollziehbar berechnen lassen. Dazu gehört auch, dass Lohnerhöhungen automatisch erfolgen und von den Mitarbeiter:innen nicht eingefordert werden müssen.

«Der erste Grundsatz für unser dreipol Lohnsystem war für mich deshalb klar: Es soll keinen Verhandlungsspielraum geben.»

Dies wirkt sich auch auf das Recruiting aus. Wir fragen neue Mitarbeiter:innen nicht nach ihren Lohnvorstellungen, sondern erfassen die nötigen Kriterien, aus welchen wir den Lohn berechnen und bekanntgeben.

Etappe 3: Der Markt und Lohnrechner

Natürlich galt mein Blick auch dem Markt. Der Fundus an möglichen Systemen scheint grenzenlos. Dennoch fand ich über all die Jahre weder ein System noch Grundsätze, die zu dreipol und unseren Vorstellungen gepasst hätten.

Was für uns nicht funktioniert

  • Höhere Löhne für Talente. Das Vorgehen, Talente zu bestimmen und für zukünftige Führungsrollen «einzuplanen», mag für Grossunternehmen zentral sein. Bei Kleinunternehmen wie dreipol ist es aus meiner Sicht fehl am Platz. Mit der «Nachfolgeplanung» kann man zwar durchaus früh beginnen, auf den Lohn sollte sie jedoch keinen Einfluss haben.
  • Individualbonus-Modell. Das Verständnis für Lohnschwankungen fällt bei einem Modell mit einem variablen und fixen Anteil sicherlich grösser aus. Ich sehe hier aber ein anderes Problem: Das Individuum rückt ins Zentrum, der Teamerfolg in den Hintergrund. Das funktioniert für dreipol nicht.
  • Verschiedene Fachgebiete, verschiedene Löhne. Hier gehören die Projektleiter:innen, dort die Entwickler:innen und dann wieder die Designer:innen zu den bestbezahlten Personen im Team – jede Branche entscheidet anders. Bei dreipol entscheiden wir nicht nach Berufsgruppe. Alle unsere Mitarbeiter:innen tragen, unabhängig ihres Fachgebiets, wesentlich zu dreipols Erfolg bei.
  • Lohnbänder. Lohnbänder sorgen meiner Ansicht nach oft für eine Schein-Fairness. Vor allem dann, wenn klare Begründungen oder nachvollziehbare Messungen fehlen, welche die Position eines:einer Mitarbeiter:in innerhalb eines Lohnbandes oder die Breite des Bandes festlegen.
  • Lohnempfehlungen blind folgen. Es ist mein Ziel, dass die Löhne bei dreipol für alle stetig steigen. Dies darf aber nicht zum Risiko für das Unternehmen werden. Die klassischen Lohnrechner sowie Salärberichte in den Medien beruhen zumeist auf der Zahlungskraft grosser Firmen. Diese Diskrepanz ist für kleinere Unternehmen nur schwierig auszumerzen.
  • Individuelle Lohntransparenz. Es ist aus meiner Sicht nicht zielführend, den individuellen Lohn der Mitarbeiter:innen zu kommunizieren. Bei dreipol setzen wir auf eine prozedurale und distributive Lohntransparenz. Das heisst, wir veröffentlichen die Kriterien, welche die Löhne ausmachen sowie Angaben zur Seniorität der Mitarbeiter:innen und dem Prozess, wie sich dies alles zusammenfügt.

Etappe 4: Die Basis festlegen

Genauso wenig, wie sich ein auf dem Markt erhältliches Lohnsystem für uns bewährt hatte, konnten wir bestehende Senioritätseinstufungen 1:1 übernehmen. Lange Zeit hatten wir uns am ICT-Raster orientiert. Dessen Grenzen zeigten sich aber, sobald es um höhere Senioritätsstufen ging.

«Bei dreipol entscheiden wir nicht nach Berufsgruppe. Alle unsere Mitarbeiter:innen tragen, unabhängig ihres Fachgebiets, wesentlich zu dreipols Erfolg bei.»

Wir formulierten deshalb die Senioritätseinstufungen um. Dazu legten wir Anforderungen mithilfe von auf dreipol zugeschnittenen Beispielen fest, die ab einem gewissen Senioritätslevel erfüllt werden müssen. Je höher die Seniorität, umso mehr Verantwortung wird von dem:der Mitarbeiter:in erwartet.

Diese Erwartungen hier im Detail auszuführen, würde den Blog-Beitrag sprengen. Wichtig für den Moment ist: Als Berechnungsgrundlage dienen uns heute die Einstiegslöhne pro Senioritätsstufe, die wir transparent offenlegen. Zusätzlich haben wir einzelnen Funktionen zusätzliche Verantwortung zugewiesen. Der Lohn pro Verantwortung steigt auch mit den Jahren an Berufserfahrung.

Etappe 5: Transparenz in der Führungslinie schaffen

Bei dreipol ist es seit jeher so, dass sich Mitarbeiter:innen selbst beurteilen und gleichzeitig von Vorgesetzten in der Seniorität bewertet werden. Dieses Vorgehen haben wir für das neue Lohnsystem im Grundsatz beibehalten.

Die Einschätzungen der Mitarbeiter:innen und jene der Vorgesetzten werden neu in einem Gremium aus HR, GL und allen Vorgesetzten mit Personalverantwortung besprochen. Diese Transparenz in der Führungslinie ist meiner Meinung essenziell, um trotz eines offenen Lohnsystems gleiche Bewertungen zu schaffen.

Gemeinsame, nachvollziehbare Kriterien

Der Lohn berechnet sich aus fünf Kriterien: Seniorität, Ausbildung, Weiterbildung, Treue und Verantwortung.

Diese Kriterien sowie die darunterliegenden Skalen und Definitionen stammen nicht etwa allein aus meiner Feder, sondern wurden zusammen mit unseren HR-Verantwortlichen und den Vorgesetzten erarbeitet.

Wie geht es nun weiter?

Ein Lohnsystem ist laufende Arbeit und wird nie zu 100% in Stein gemeisselt sein. Ich erhebe keinen Anspruch, dass unser Vorgehen auch für andere Unternehmen passt. Wir haben darin eine gute Lösung gefunden, um die Lohntransparenz innerhalb von dreipol zu gewährleisten und die Lohnkriterien nachvollziehbar zu gestalten. Eine interne anonyme Umfrage (n = 25) zeigt auch, dass wir noch nicht am Ziel sind.

Anonyme interne Umfrage zum dreipol Lohnsystem 4.0 (März 2021)

Als Nächstes möchten wir die Einstufung der Seniorität und die Offenlegung der im Gremium geführten Diskussionen weiter optimieren und das Thema «Soft Skills» angehen. Noch ist offen, ob «Soft Skills» ebenfalls ihre Berücksichtigung in unserem Lohnsystem finden werden.

Anonyme interne Umfrage zum dreipol Lohnsystem 4.0 (März 2021)

Im Raum steht auch die Offenlegung der Individuallöhne, da es bereits heute – sofern man das Profil des:der Mitarbeiter:in gut genug kennt – möglich ist, jeden einzelnen Lohn zu berechnen.

Anonyme interne Umfrage zum dreipol Lohnsystem 4.0 (März 2021)

Und was sind die Lösungen in deinem Unternehmen?

Die Themen Lohnsystem und Entlöhnung beschäftigen und interessieren mich seit Jahren. Ich freue mich daher über jede Rückmeldung zu unserer Arbeit. Bei Interesse reicht eine E-Mail an nino.cometti@dreipol.ch

Vielen Dank fürs Liken und Teilen!

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