«Uns geht es beim Thema Nachhaltigkeit mehr um die Haltung und weniger um das Produkt»

Die Uhrenindustrie trotzt scheinbar allen Widrigkeiten und verzeichnet Jahr für Jahr riesige Umsätze. Um im Markt auf sich aufmerksam machen zu können, geben Uhrenmarken deshalb oftmals sehr viel Geld für Werbung und Marketing aus. Der Schweizer Uhrenhersteller Oris geht eigene Wege und versucht, die Kund:innen mit Werten von sich selbst zu überzeugen.

Jules Robert
dreipol

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Marc Sutterlüti ist seit Oktober 2017 Head of Global Marketing für Oris. Im Gespräch mit dreipol erzählt er, warum Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema für die Firma ist und warum sie bei der Lancierung einer neuen Uhr die Begeisterung von innen nach aussen tragen möchten.

dreipol: Marc Sutterlüti, wie sind Sie zu Oris gekommen?
Marc Sutterlüti: Ich habe lange in der Kosmetikbranche für diverse internationale Unternehmen gearbeitet. Diese gingen alle irgendwann einmal an die Börse. Damit haben diese meistens auch ihre Unabhängigkeit im Denken verloren. Das hat für mich nicht mehr gepasst weshalb ich in eine andere Branche und ein privates Unternehmen mit einer langen Historie wechseln wollte.

Dazu kommt, dass ich mich nicht über Äusserlichkeiten oder eine Uhr definiere. Genauso ist Oris und so haben mich die Unternehmung und ihre Philosophie begeistert.

Inwiefern ist Oris anders als andere Firmen?
Bei Oris haben wir sehr kurze Entscheidungswege. Wir fackeln nicht lange herum. Wenn etwas Sinn macht, setzen wir es um. Das können wir tun, weil wir von uns selbst überzeugt sind und vor allem, weil wir ein unabhängiger Hersteller sind.

Ist so auch die Idee entstanden, die Lancierung der neuen ProPilot X Calibre 400 mit einem Casual Game zu begleiten?
Ganz genau. Das war eine ziemlich spontane Idee. Im letzten Januar sind wir im Team zusammengesessen und haben uns gefragt, wie wir es schaffen können, die internen Mitarbeiter:innen und die externen Endkonsument:innen für unsere neue Uhr und dessen Geschichte zu begeistern. Das war rund drei Monate vor der Lancierung, es war also eine ziemlich kurzfristige Sache.

Und warum wolltet Ihr dafür gerade ein Casual Game benutzen?
Dafür muss man verstehen, dass wir etwas anders funktionieren als unsere Mitbewerber:innen. Diese vermarkten ihre Uhren oftmals mit berühmten Persönlichkeiten und benutzen dazu klassische Uhrenthemen wie etwa das Tauchen oder die Fliegerei. Wir verzichten bewusst auf diese romantisierenden Welten. Dementsprechend stehen wir jedes Mal vor der Herausforderung, wie wir auch unsere Mitarbeiter:innen und Händler:innen abholen können. Denn, und das ist wichtig, nur wenn die eigenen Leute von der neuen Uhr und dessen Geschichte begeistert sind, können sie diese den Kund:innen weitergeben und diese vom Produkt überzeugen. Das Spiel wollten wir also nicht nur für Endkonsument:innen entwickeln, sondern auch für unsere eigenen Mitarbeiter:innen.

Und wie seid Ihr letztlich auf das Game gekommen?
Ich hatte vor etwa 20 Jahren ein Erlebnis bei einer Agentur. Diese hat damals Casual Games entwickelt, die man z.B. in einer Kaffeepause spielen konnte. Obwohl ich überhaupt nicht der Gamer bin, bin ich süchtig danach geworden und habe es jeden Morgen vor der Arbeit gespielt. Es war ein simples Game, konnte mich trotzdem begeistern. Ich habe mir also gedacht, dass wir so etwas auch bei Oris umsetzen könnten. Ich war mir aber bewusst, dass es eine grosse Herausforderung ist, ein Spiel in einer so kurzen Zeit zu entwickeln und zu veröffentlichen.

Was war Euch wichtig bei der Konzeption des Games?
Uns war wichtig, dass wir wirklich alle Personen jeden Alters ansprechen wollten. Deshalb war schnell klar, dass es ein Casual Game à la «Tetris» oder «Donkey Kong» werden musste, mit dem man wirklich alle erreichen kann. Man sollte nicht zu viel Zeit investieren müssen, sondern kurz zwischendurch spielen können. Und es hat funktioniert, das Spiel ist in allen Regionen der Welt sehr gut angekommen.

Das Spiel beinhaltet auch ein Gewinnspiel. Wolltet Ihr damit neue Zielgruppen aktivieren?
Wir möchten in erster Linie Menschen über Emotionen erreichen. Unser Ziel ist es dabei, potenziellen Kund:innen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Haben wir das geschafft, so sind diese auch gerne bereit uns über ein Gewinnspiel Ihre für uns sehr wertvollen Daten anzugeben. Diese behandeln wir selbstverständlich äusserst vertraulich.

Stichwort Nachhaltigkeit. Wie steht Ihr dazu und verschafft Euch das auf lange Sicht einen Wettbewerbsvorteil?
Nachhaltigkeit ist in der heutigen Zeit kein Differenzierungsmerkmal mehr. Wir glauben, dass kein Unternehmen in Zukunft um dieses Thema herumkommen wird. Für uns aber geht es mehr um die Haltung und weniger um das Produkt. Wir investieren deshalb seit mehreren Jahrzehnten in nachhaltige Projekte weltweit, weil wir davon überzeugt sind, das Richtige zu tun. Wir sind 2021 zudem als erster Hersteller mechanischer Uhren klimaneutral geworden. Aber klar, auch wir sind nicht perfekt, sind auf der ganzen Welt tätig, verschicken Uhren auf alle Kontinente und stossen CO₂ aus. Wir haben uns jedoch klar zum Ziel gesetzt, jährlich unseren CO₂ Ausstoss zu reduzieren und unsere Produkte nachhaltiger zu machen und eine gute Balance zu finden.

Ist es heutzutage schwieriger geworden, sich ein Gehör zu verschaffen und auf sich und seine Produkte aufmerksam zu machen?
Es ist auf jeden Fall schwieriger geworden, sein Publikum zu erreichen. In den 1990er Jahren hat man einfach einen TV-Spot geschaltet und damit war alles gut. Heute erreicht man damit höchstens noch eine ganz kleine Gruppe.

Es ist also eine grosse Herausforderung, eine langanhaltende und nachhaltige Relevanz von fünf bis zehn Jahren aufzubauen. Das erreichen wir, indem wir unser Marketingbudget nicht nur in das eigentliche Produkt, sondern vor allem auch in unsere Marke investieren. Das haben wir in den letzten fünf Jahren fokussiert umgesetzt und das ist uns, denke ich, ganz gut gelungen.

Nehmt Ihr dabei auf regionale Besonderheiten Rücksicht?
Auf jeden Fall. Die Teams in den einzelnen Ländern und Märkten arbeiten mit unterschiedlichen Anknüpfungspunkten. Im Vereinigten Königreich machen wir beispielsweise viel mit Cricket, in Frankreich fokussieren wir uns hingegen auf den Fussball. Und in der Schweiz sind wir wiederum eher an kulturellen Anlässen vertreten. Wir gehen also sehr individuell vor, es gibt nicht den oder die globale:n Kund:in.

Inwiefern beurteilen Sie in diesem Kontext das Potenzial von sozialen Medien wie Instagram oder TikTok?
Diese Kanäle müssen für uns und unsere Communities Sinn machen und nachhaltig sein. Wir waren eine der ersten Firmen, die auf Facebook und Instagram präsent waren. YouTube hat für unsere Zielgruppe eine klar grössere Relevanz als TikTok. Und ganz wichtig: Wir haben uns immer klar dagegen ausgesprochen, weltweit bekannte Influencer für einzelne Posts zu bezahlen. Wir verfolgen über alle sozialen Kanäle und mit unseren Partner:innen eine langfristige Strategie.

Worauf freuen Sie sich 2023 am meisten?
Ich freue mich darauf, in der Welt da draussen einen Unterschied zu machen. Ich möchte die Leute aufs Neue begeistern und weiterhin einzigartige Produkte anbieten. Zudem freue ich mich auf alles, was die Uhrenbranche an neuen Innovationen zu bieten hat.

Herr Sutterlüti, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Jules Robert, Legal Counsel & Sales Manager bei dreipol.

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