App Clips — Spielerei oder mehr?

Mit iOS 14 hat Apple eine neue Art von App eingeführt, die ohne Installation u. a. per Scannen eines QR-Codes verwendet werden kann. In diesem Beitrag berichte ich über unsere Erfahrungen bei dreipol mit dieser Technologie.

Laila Becker
dreipol

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Dieser Blog ist der erste Teil in einer zweiteiligen Miniserie und zeigt unsere Erfahrungen mit App Clips / Instant Apps auf. Im zweiten, technischen Teil, berichten wir über unsere Erfahrungen mit SwiftUI in iOS 14 (Publikation folgt).

Apple stellt an seiner jährlichen World Wide Developers Conference (WWDC) die neuesten Features für die nächste Generation seiner Betriebssysteme vor. Bei dreipol verfolgen wir die Konferenz jeweils gespannt. Letzten Herbst stachen uns zwei Technologie in iOS 14 besonders ins Auge: App Clips und Verbesserungen an SwiftUI. Das interne Projekt «Buchstabensalat» bot uns die Gelegenheit, gleich beide Technologien anzuwenden und Erfahrungen zu sammeln.

Scanne oder tippe auf diesen QR-Code, um die App auszuprobieren:

Use Case «Buchstabensalat»

Der Buchstabensalat huldigt der Dialekt-Vielfalt bei dreipol und bringt die Nutzer:innen auf spielerische Weise dem Berndeutschen näher. Sie suchen im Buchstabensalat nach Begriffen und wenn sie diese gefunden haben, können sie sich eine Definition dazu anzeigen lassen.

Wir standen vor der Wahl, den Buchstabensalat als Progressive Web App (PWA), native App oder App Clip umzusetzen. Für die Entscheidung auf welcher Grundlage wir die App aufbauen, waren zwei Kriterien ausschlaggebend:

  1. Die Nutzer:innen sollen die App nicht über den App Store installieren müssen. Der angedachte Use Case ist, dass man einmal spielt. Die Einstiegshürde, bevor man loslegen kann, soll also möglichst gering sein und nachher soll die App nicht noch auf dem Homescreen liegen.
  2. Gerade bei Spielen ist es sehr wichtig, bei allen Interaktionen Feedback zu geben. Zum Beispiel haben wir beim Buchstabensalat in einem ersten Prototypen festgestellt, dass man häufig beim Auswählen eines Wortes den benachbarten Buchstaben trifft und so nicht das richtige Wort auswählt. Gleichzeitig hat man aber das Gefühl hat, richtig getroffen zu haben. Dieses Problem konnten wir durch eine Anzeige des bisher ausgewählten Wortteils sowie durch ein haptisches Feedback, wenn man den Finger über einen anderen Buchstaben bewegt, lösen.

Es ergibt sich das folgende Bild:

PWA. Um eine App anzubieten, ohne dass diese vorher über den App Store installiert werden muss, waren bisher Progressive Web Apps (PWAs) die gängige Lösung. Eine PWA ist eine Webseite, die speziell für mobile Geräte gemacht ist. Somit lässt sie sich z. B. einfach über einen QR-Code direkt im Browser öffnen. Das erste Kriterium kann sie also gut erfüllen.

Das zweite Kriterium kann sie jedoch nur eingeschränkt erfüllen, da eine PWA immer nur versuchen kann, den gewohnten Look & Feel des jeweiligen Betriebssystems zu imitieren, ohnen diesen jedoch vollständig zu erreichen. Ein spezifisches Beispiel im Kontext des Buchstabensalats ist, dass es auf iOS nicht möglich ist als PWA haptisches Feedback auszulösen.

Native App. Eine native App hat vollen Zugriff auf alle System-Features. Sie verwendet die vom Plattform-Entwickler bereitgestellten Bedienelemente und kann bei Bedarf auch sonstiges Reaktionen (z. B. haptisches Feedback) auslösen. Das zweite Kriterium kann sie somit bestens erfüllen, jedoch setzt sie eine Installation über den App Store voraus, erfüllt also das erste Kriterium nicht.

App Clip. Ein App Clip wird durch Scannen eines QR-Codes geöffnet und läuft dann lokal als native App. Daher erfüllt er wie oben beschrieben das zweite Kriterium. Gleichzeitig kommt er ohne Installation aus, sodass ein App Clip die einzige Technologie ist, die beide unsere Kriterien erfüllt.

Android. Das äquivalente Feature zu App Clips auf Android sind Instant Apps. Diese gibt es bereits seit Android 5.0 und sie funktionieren sehr ähnlich zu App Clips. Der Nachteil gegenüber App Clips auf iOS 14 ist jedoch, dass Instant Apps standardmässig deaktiviert sind und erst über die Einstellungen aktiviert werden müssen. Ohne diese Einstellung können sie von der App-Seite im Play Store aus geöffnet werden, jedoch nicht durch das Scannen eines QR-Codes. Beim Buchstabensalat federn wir dieses Problem durch eine Landingpage ab: Ist die entsprechende Einstellung nicht aktiviert, wird der QR-Code stattdessen im Browser geöffnet und man landet auf einer Seite, die dazu anleitet die Instant App über den Play Store zu öffnen. Ebenfalls landet man auf dieser Seite, wenn man den Code mit einer Betriebssystemversion vor iOS 14 scannt und erhält Informationen dazu, dass die App nicht unterstützt wird.

Die Vision

Der Buchstabensalat ist ein relativ simples Beispiel. Um das volle Potenzial eines App Clips zu erkennen, stellen wir uns folgendes Szenario vor: Ich bin am Sechseläutenplatz in Zürich unterwegs und muss möglichst schnell zum HB kommen, um meinen Zug nicht zu verpassen. Am Strassenrand sehe ich ein Velo der örtlichen Bike-Sharing-Plattform. Ich gehe auf das Velo zu, halte kurz mein Handy an den Lenker und schon kann ich losfahren.

Vor iOS 14 setzt dieses Szenario voraus, dass ich entweder die Bike Sharing App bereits installiert habe oder warte, während ich sie aus dem App Store herunterlade. Anschliessend nimmt mir die App Platz auf dem Homescreen weg, bis ich sie lösche oder irgendwo einsortiere, wo ich sie beim nächsten Mal sicher nicht mehr wiederfinde. Genau diese Reibungsverluste können nun mit App Clips vermieden werden.

App Clips

Mit einem App Clip scanne ich z. B. einen QR-Code oder ein NFC-Tag am Velo. Es öffnet sich ein Pop-up, über das sich wiederum der App Clip starten lässt.

Ein QR-Code wird gescannt. Es erscheint ein Popup. Nach tippen auf das Popup wird eine App Clip Karte angezeigt. Mit tip auf “Play” startet der Buchstabensalat.
Beispiel: So lässt sich der Buchstabensalat starten

Der App Clip braucht nur ein paar Sekunden zum Laden und weiss anschliessend direkt anhand des Codes, den ich gescannt habe, bei welchem Velo ich stehe. Mir wird der Preis angezeigt und ich kann mit einem Tap per Apple Pay bezahlen, woraufhin sich das Velo aufschliesst.

Dadurch ist die Einstiegshürde sehr gering. Gleichzeitig wirkt der App Clip aber auch als «Fuss in der Tür»: Zum Beispiel erhalte ich am Abend nachdem ich den App Clip verwendet habe einen Push, der mich einlädt, meine Fahrt zu bewerten. Nachdem ich die Bewertung abgegeben habe, bietet der App Clip mir an, die volle App herunterzuladen. Dafür bekomme ich einen Tag Velofahren geschenkt. Zusätzlich zur Bezahlfunktion bietet die Haupt-App dann noch weitere Features, wie eine Karte, auf der ich ein Velo finden kann und Vorschläge für Velotouren in der Umgebung. So können Tourist:innen, die nur kurz in Zürich sind und nicht die volle App installieren wollen, von der geringen Einstiegshürde profitieren. Hingegen können Nutzer:innen, die häufiger in Zürich sind, das Angebot zuerst testen und werden trotzdem dazu animiert, die volle App zu installieren und so als Kund:innen gebunden.

App Clips als Zusatz zur Haupt-App

Besonders vorteilhaft sind App Clips ausserdem, wenn eine volle native App sowieso bereits existiert oder entwickelt werden soll. In der Bike-Sharing App, wäre die Bezahlfunktion bereits in der Haupt-App vorhanden. Es ist dann möglich, einfach die relevanten Quelldateien für den App Clip auszuwählen und wiederzuverwenden. Der Mehraufwand für die Entwicklung eines App Clips ist somit minim. Es sollte zudem beachtet werden, dass ein App Clip niemals alleine stehen kann, sondern immer ein kleiner Ausschnitt einer vollen App ist, die aus dem App Store heruntergeladen werden kann.

Unser Fazit

App Clips / Instant Apps eignen sich besonders gut als Trittbrett, um Nutzer:innen zur Installation der vollen App zu bewegen (Beispiel Bike Sharing App). Gleichzeitig können sie aber auch als alleinstehende Experience (Beispiel Buchstabensalat) eingesetzt werden und helfen so nativen Apps in einen Anwendungsbereich vorzudringen, der bisher PWAs vorbehalten war: light-weight, on-demand Nutzung. Gegenüber PWAs haben sie dabei vor allem den Vorteil, dass sie als native Apps (nahezu) vollen Zugriff auf System Frameworks haben und somit die bestmögliche User Experience bieten. Als Marketingmittel sind sie höchst interessant, da sie dank niedrigen Einstiegshürden Nutzer:innen zu Kund:innen machen können.

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Postskriptum: Dynamic Links

Ein Teil des Nutzens von App Clips konnte bisher durch Dynamic Links abgebildet werden. Diese ermöglichen es Nutzer:innen direkt an eine spezifische Stelle in einer App zu leiten (z. B. direkt zum Check-out für das Velo, vor dem man gerade steht). Scannt ein:e Nutzer:in einen QR-Code für einen Dynamic Link und hat die App bereits installiert, so wird die App direkt geöffnet und erhält dabei zusätzliche Informationen (z. B. die ID eines Velos). Hat der:die Nutzer:in die App noch nicht installiert, wird er:sie in den jeweiligen App Store weitergeleitet. Nach der Installation kann sich die App den Link holen und anhand der darin enthaltenen Informationen direkt an die richtige Stelle navigieren.

App Clips / Instant Apps fügen sich hier perfekt ein. Scannt man einen entsprechenden QR-Code und hat die volle App bereits installiert, so öffnet sich diese direkt und navigiert, wie bisher, zum Check-out für das spezifische Velo. Hat man die App noch nicht installiert und nutzt ein Gerät mit iOS 14, bzw. hat die entsprechende Einstellung auf Android vorgenommen, so öffnet sich stattdessen der App Clip / die Instant App, von wo aus man den Check-out ebenfalls durchführen kann. Auf Geräten bis iOS 13, bzw. wenn die Einstellung auf Android nicht vorgenommen wurde, hingegen gelangt man wie gewohnt auf die Store Page, von wo aus man die volle App installieren und anschliessend den Check-out durchführen kann.

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